Bericht von Herrn Rechtsanwalt Dr. Clemens Pichler , LL.M.
Tankstellenverkauf – Was bedeutet das für die Pächter?
Viele Tankstellenbetreiber haben es leider nur aus den Medien erfahren. Die Jet-Tankstellen in Österreich und Deutschland sollen verkauft werden. Für viele Pächter ist diese Ausgangslage unbefriedigend, da ihre wirtschaftliche Existenz oft an der Tankstelle hängt.
Wie läuft ein Tankstellenverkauf ab?
Dass solche Verkaufsgespräche im Hintergrund geführt werden, ist nichts Ungewöhnliches. Spätestens mit der Medienberichterstattung dürften die letzten potenziellen Interessenten die Kaufmöglichkeit mitbekommen haben. Im Hinblick auf den kolportierten Verkaufspreis von 3 Milliarden Dollar wird ein solcher Ankauf natürlich sehr genau geprüft. Ob diese Due Diligence (Ankaufprüfung) in ein paar Wochen oder dann letztlich doch noch länger dauert, kann im Vorfeld nicht abgeschätzt werden. Ein realistisches Szenario wäre eine Übernahme per 31.12.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Tankstellen zu kaufen: Entweder es werden die GmbH-Anteile der Jet gekauft, ein sogenannter „Share-Deal“. Die Verträge, die die Jet als GmbH abgeschlossen hat, also auch der Tankstellenunternehmervertrag, bleiben dann unverändert aufrecht. Nur der Eigentümer der GmbH wechselt, was die Verträge in der Regel nicht betrifft. Die Rechte und Pflichten bleiben unverändert aufrecht, selbst wenn der Gesellschafter oder der Name der GmbH geändert würde.
Die andere Möglichkeit ist, dass nur das „Vermögen“ verkauft wird. Das kann beispielsweise die physischen Tankstellen selbst oder auch die Rechte aus Verträgen sein. Laut Tankstellenvertrag ist die Jet dazu berechtigt (siehe § 18 des Tankstellenvertrages), das Vertragsverhältnis an eine andere Person zu überbinden. Es wurde aber vereinbart, dass in diesem Fall dem Pächter ein fristloses Kündigungsrecht zusteht.
Und was wird aus den Pächtern bei einem Verkauf?
Das ist zum einen davon abhängig, in welcher Form der Verkauf stattfindet, zum anderen natürlich auch davon, was der neue Eigentümer mit der konkreten Tankstelle vorhat. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Tankstelle unverändert, vielleicht sogar unter der Marke Jet weitergeführt wird und sich nicht viel ändert. Das ist in der Praxis eher die Ausnahme. Meistens werden die Tankstellen von einem Mitbewerber gekauft, der die Tankstelle natürlich gerne für seine eigene Marke verwenden möchte. So war dies etwa auch beim Verkauf der ESSO-Tankstellen an die Agip (jetzt Eni). Die Pächter bekommen in diesem Fall normalerweise einen neuen Tankstellenvertrag und ein neues Vertriebssystem, das sie akzeptieren sollen. Wer dies nicht akzeptiert, wird gekündigt, da innerhalb einer gewissen Frist die gekauften Tankstellen auf die neue Marke umgestellt werden sollen.
Gibt es einen Ausgleichsanspruch für den Tankstellenpächter?
Auch das ist zuerst davon abhängig, ob das Pachtverhältnis überhaupt beendet wird oder nicht. Setzen Sie das Pachtverhältnis ganz normal weiter fort oder unterschreiben einen neuen Tankstellenvertrag besteht (noch) kein Ausgleichsanspruch. Nur bei Vertragsbeendigung besteht das Recht, einen Ausgleich für den aufgebauten Stammkundenstock und die geschaffenen Unternehmervorteile zu erhalten. Entscheidend dafür ist unter anderem, wie die Beendigung erfolgte.
Wird vom Mineralölkonzern gekündigt, steht dem Pächter grundsätzlich ein Ausgleichanspruch zu. Anders ist es bei einer Eigenkündigung durch den Pächter. Hier besteht der Ausgleichsanspruch nur dann, wenn die Kündigung aus „begründetem Anlass“ erfolgt. Was unter einem „begründetem Anlass“ zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht definiert und muss jeweils im Einzelfall geprüft werden. Da bereits im Tankstellenvertrag eine Überbindung des Vertragsverhältnisses als fristloser Kündigungsgrund gewertet wurde, sehen wir diese Änderung auch als „begründeter Anlass“.
Bevor Sie aber vorschnell selbst eine Kündigung aussprechen, halten Sie unbedingt mit Ihrem auf Ausgleichsanspruch spezialisierten Rechtsanwalt Rücksprache. In vielen Fällen wird nämlich eine Kündigung gar nicht nötig sein, da Sie nicht verpflichtet sind einer Vertragsänderung zuzustimmen oder einen neuen Vertrag zu unterschreiben. Kauft ein anderer Mineralölkonzern ein Tankstellennetz, erfolgt nämlich in der Regel eine Kündigung der Pächter, die den neuen Tankstellenvertrag nicht unterschreiben. Dies ist die beste Ausgangslage, um den Ausgleichsanspruch zu erhalten.
RA Dr. Clemens Pichler, LL.M.
www.tankstellenanwalt.at